Seelentrost

Eigentlich hatte der Tag ja gut angefangen. Ich hatte zwar versprochen, statt wie üblich frühen nachmittag im Büro einzufallen, diesmal späten Morgen da aufzuschlagen (was heißt, dass hier morgens 2x Wahnsinnge läuft,aber ich will anicht meckern, letztes Jahr um diese Zeit war halb fünf/fünf meine Zeit). Dafür hatte der liebe Gott oder Mutter Natur oder wer auch immer dafür zuständig ist dafür gesort, dass Väterchen Frost über Nacht hier eingefallen war und ich tatsächlich seit WOCHEN das erste mal wieder trockenen Fußes mit Plastikgartenschlappen von a nach b kam draussen. Gut, in den Durchgängen und anderen Stellen, wo die wirklich tiefen Schlammlöcher waren, saßen immer noch die kleinen Moorteufel tief drinnen und warteten auf den Stiefel, der da in sie einsank, um sich dann flugs an ihnen festzukrallen und eines ihrer 3 Ziele zu erreichen, welche, da bin ich mir sicher, ihr Lebenszweck sind, nämlich 1. den Stiefel so zu packen, dass Fuß raus und nackelig in den Matsch, Stiefel idealerweise aber immernoch tief drin und fußlos im Matsch oder 2. Stiefel samt Fuß so im Matsch, dass Mensch, noch in seiner Vorwärtsbewegung begriffen, diese nicht schreitend (hüstel, träum weiter, Matschpaddler), sonder vielmehr Nase voran bodenwärts ausführt oder aber idealerweise in der geschickten Kombination aus 1+2, nämlich Mensch Nase voran in Matsch mit nackeligem Fuß. Ich bin mir ebenfalls sicher, verdreht sich Mensch dabei das Knie oder verletzt sich sonst irgendwie, gibt es Bonuspunkte. Diesmal hätte es fast zu 3. mit Bonuspunkt gereicht, aber mit einer schier unmenschlichen Anstrengung gelang es mir, ausnahmsweise mal diesem Schicksal zu entrinnen – auch wenn ich schwöre, dass ich die Spax-Schrauben in meinem versteiften Fuß habe ächzen hören.

Wie auch immer, es war also – relativ – trocken – kalt – und so haben die Hunde einen schönen Morgen auf der Koppel verbracht. Ich warm eingemummelt, so haben wir auf der breiten Liege gehockt (d.h. ich habe gehockt und versucht, den Kaffee zu trinken, während sie über mich drübergetrampelt sind). Bis ich dann losmusste. Der Mensch vergißt ja das Schlimme immer schnell, und so bin ich todesmutig mit den Plastikschlappen in mein Auto (ja, kein Witz, die letzten Wochen musste ich mit Gummistiefeln zum Auto und IM Auto in Büroschuhe wechseln, anders ging nicht mehr).

Nun, der Teufel steckt bekanntlich im Detail (oder ist ein Eichhörnchen). Das war eine dumme und hinrissige Idee. Aber dazu später.

Heute Abend also früher raus weil früher dagewesen, also Sopoma-Tour (Sonderpostenmarkt-Tour). Kurz bei Haka rein (dem genialen Warenverwerter), leider waren meine Rinderknochen noch nicht da, also muss ich morgen noch mal hin. Egal. Für die Hunde Quark und Matjes mitgenommen. Dann noch eben zu Wreesmann gucken, war aber nix, was ich unbedingt brauchte. Und dann zu Philipps. Hin musste ich da nicht, war nur ne Ausrede, denn bei Philipps über den Parkplatz gibt es ihn… Den mentalen Kurzurlaub, ausgelöst durch… Aber ich greife vor.

Parkt man bei Philipps, inmitten der bauschönen Industriearchitektur der 60er und 70er Jahre mit dem Scharm eines… ja was denn (also häßlich), dann sieht man einen kleinen – nach außen hin plünnigen Laden in einer flachen, fast barackenartigen Struktur. Geöffnet, das Schild habe ich bestimmt 1,5 Jahre angeguckt, aber irgendwie sah es so … tja, plünnig, komisch aus von außen. Also nicht schick, einladend, teuer, exclusiv. Mein Snobismus, dass man außergewöhnliche Sachen in schicken Innenstädten, vorzugsweise sowas wie Hamburg oder Düsseldorf oder Den Haag oder Paris oder Brüssel (versteht Ihr, was ich meine?) hat da mal wieder voll zugeschlagen – hab eindeutig zu lange in schicken Städten verbracht.

Irgendwann… hat die Neugier dann aber doch gesiegt und ich bin rein. Öffnet man die schäbige Ladentür, dann brauch man nur die Augen zuzumachen, und man wähnt sich auf einem der tollsten Basare des Mittleren Ostens, 1001 Gewürzduft streiten darum, zuerst die Nasenlöcher zu erreich.

Die winzigen Räume sind peinlich sauber und ordentlich, und laden ein, in Gewürzen und Gewürzmischungen aus aller Welt zu schwelgen. Da ist man denn traurig, wenn man allein ist, einfach weil man so gern all das mal kochen möchte, ausprobieren möchte. Das liebevoll geführte Familienunternehmen gleicht eher einer Gewürzbibliothek, man kann ewig darin herumstöbern. Und bei Fragen wird einem gedulgig geholfen, Rezepte werde vorgeschlagen oder auch schon mal schnell kopiert. Ist man erstmal durch die kleine Tür drinnen, möchte man nicht wieder raus. Ich jedenfalls nicht. Ich schleiche von Regal zu Regal, bewundere die Mischungen, frage mich, was zum Geier dies oder das ist, und gehe dann, mit 3 oder 4 Schätzen beladen (weil – ich ja allein) zur alten Registerkasse und bezahle meine Beutelchen. Und habe gleichzeitig, während ich in diesem eigenartigen kleinen, einfachen aber traumhaften Laden bin, ein bisschen Seelentrost, ein bisschen Urlaub mitgenommen, ein paar Minuten, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, in der sie nix bedeutet, bevor die triste Realität mich jenseits der Tür wieder erwartet.

So auch heute. Die Minuten in dem Laden sind nicht zu bezahlen. Und so bewahr ich mir diese Stimmung, während ich durch den… ja genau, strömenden, nun auch noch fiese kalten Regen nach Hause fahre.

Die Pferde reinhole, die meckernden Katzen fütter (die übrigens morgens und abends Dose, mittags Trofu und zwischendurch alle Mäuse, Ratten und Vögel dieser Welt fressen könnten und oft genug Futter liegenlassen, mich immer anmeckern, als wären sie am verhungern), die Hunde begrüsse, besnacke, rausschmeiße, wische, Wäsche reinundraus mache, alles kurz beknuddel und dann einfach mal wieder nur fertig bin.

Irgendeiner hat wieder die Schiebsperre überwunden und ist durch die von mir nicht richtig eingehakte Toilettentür in die Toilette gelangt und hat wieder alles Klopapier geschreddert, Anatol hat mal wieder Wäsche, die ich zum Nachtrocknen über ne Mauer geworfen hatte, runtergezogen = neu waschen. Ich hab zwar heute morgen Wäsche in den Trockner gemacht, aber nicht angestellt (ich bin soooo clever….hmpf). Davon mal ganz ab, dass ich keine Gummistiefel im Auto hatte und bei der Wahl, mit Plastikschlappen und nassen, matschigen Füssen reinzukommen oder meine Straßenschuhe zu beschlammen, meine Straßenschuhe gewählt haben, die nun total zugeschlammt sind).

Und nun auf dem Sofabett in meiner Wohnhöhle hocke, mit den Bettdackeln, den beiden neuen bekloppten Pfegis sowie heute Kunibert und Walda dazu (die beiden Großen mit einem lecker Markknochen abgespeist habe, also sind Waldi und Anatol ruhig).

Und neben mir, auf der Fensterbank, neben meinem Weißwein vom SoPoMa, der übrigends lecker ist, liegen die kleinen Päckchen des Zauberladens und verbreiten ihre Gerüche:

Das Normalste, weil, hab Gefügel vom Hofladen in der Truhe:
Geflügel-Hähnchen-Gewürz aus Paprika, Zwiebel,Pfeffer, Selleriewurzel, Thymian,knoblauch, Muskat, Oregano, Bohnenkraut, Marjoran, Petersilie

und

Bärlauchsalz: Meersalz, Bärlauchkraut, Zwiebeln, schwarzer Pfeffer

Chimichurri nach argentinischer Art: Zwiebel, Pfeffer, Petersilie, Salz, Knoblauch, Rohrzucker, Paprika

Asado-Mischung, ebenfalls argentinisch: Paprika, Zwiebel, Pfeffer, knoblauch, Meersalz, Chilli, Tomate, Petersilie, piment, Basilkum, Muskat, Rosmarin,Curcuma, Bohnenkraut, Cumin, Lorbeerblatt

sowie eine kleine Packung Wabenhonig.

Diesmal ging mein nasaler Urlaub nach Argentinien, was es wohl nächstes Mal wird? Nach Indien? China? oder mal wieder Frankreich?

Und für die von Euch, die auch mal schwelgen wollen, der kleine Laden geht trotz allem mit der Zeit:

http://www.gewuerzmarkt.com/webshop

müde Grüße aus der Matschwüste
Katrinsche und die Biester

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3 Antworten zu Seelentrost

  1. Gunda schreibt:

    Schöööön zu lesen, die Evelyn Sanders des Murmellands….auch wenn ich nicht mit dir, deinem Matsch und den fehlenden Gummistiefeln tauschen möchte…..Der kleine Gewürzladen ist mir wohl bekannt, leider bisher nur von außen, aber bei deinem Schrieb hab ich die beschriebenen Gewürze in die Nase gezogen und fast, fast… gerochen. Hab auch die Augen zugemacht …. herrlich…..

  2. Doris schreibt:

    Oh wie schön, dass es hier wieder neues zu lesen gibt. Weiß nicht, ob ich duzen oder siezen soll, bin also mal frech und duze.Wenn nicht ok,einfach eins auf die Nase geben. Hab den Blog letztes Jahr entdeckt, nachdem ich früher schon mal auf deinen alten Seiten gelandet war. Hatte selber 2 Rauhhaardackel, momentan einen Golden Retriever und 2 Kater, möchte aber sobald es zeitlich möglich ist, sich um Welpen zu kümmern, auf jeden Fall auch wieder was dackeliges im Haus haben. Ich find dein Verständnis von Hundezucht toll und dass du hier so erfrischend ehrlich und ungeschönt schreibst. Ich wohn fast um die Ecke, aber nicht Murmelland.Da meine bessere Hälfte aber Murmelländer ist, bin ich oft da und werd beim nächsten Mal auf jeden Fall den Gewürzshop suchen. Bin jetzt wieder gerne öfter hier. Lieben Gruß

    • dackelsucht schreibt:

      Du ist schon in Ordnung, und im Sommer einfach mal anmorsen und dann mal auf en Kaffee vorbeikommen 😉 – nur unangemeldet bitte nicht, hab so wenig Zeit, dat nervt dann immer

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